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Donnerstag, 3. April 2025

Die patente amerikanische Zollformel





Donal Trump und sein Truppe haben am 2. April 2025, dem Tag der Befreiung von den betrügerischen Schmarotzern, ihre Zollsätze verkündet. Für die Schurken der Europäischen Union genau 20%.  Er hat im Rosengarten eine Tafel hochghalten mit einer langen Liste von Zollsätzen für alle Länder. Nun fragt man sich, wie die Zahlen zustande gekommen sind. 

Um der Fassade willen hat das Handelsministerium eine Seite hochgeladen, wo man die Weltformel für die Zollsätze findet. Der Stolz der transatlantischen Menschheit lautet:

Δτi=ximiϵφmi

Es ist xi der Exportwert, der von den USA nach dem Land i transferiert wurde. Weiters ist mi der Importwert nach den USA aus dem Land i. Und τi ist der Zollsatz, der auf mi anzuwenden ist. Nun setzen die Autoren dieser Wunderformel die Parameter ϵ=4.0 und φ=0.25, sodass ϵφ=1 wird. Das ist natürlich ein Riesenzufall und ein sehr günstiger dazu. Die zwei Parameter bedeuten folgendes: Das ϵ, der Tradition entsprechend ist die sogenannte Elastizität der Importmenge, deren relative Änderung aufgrund der Preisänderung, formal

ϵ=dqqdpp mit p Preis und q Menge ist. Der andere Parameter ist auch eine Elastizität, des Preises im Verhältnis zum Zollbetrag, also

φ=dppdττ. Diese Grösse wird "pass-through", also Abwältzung oder Weitergabe, genannt und kann verstanden werden als der Anteil der Zollbelastung, der dem Preis der Ware zugeschlagen wird. Also ein Wert von 0,5 hiesse, dass die Tarifänderung zur Hälfte vom Produzenten getragen wird. Die Autoren sind so schusselig zu behaupten, ϵ<0 und fünft Takte später setzen sie ϵ=4. Die Trumpleute scheren sich nicht um die Algebra oder die Logik. Liebhaber des Leibniz-Kalküls, Leibniz der erfolgreich Erfinder der monadisch-trockenen Butterkekse, erkennen sofort, dass

ϵφ=dqqdττ folgt*. Wenn dieses Produkt gleich 1 ist, dann folgt wiederum

dqq=dττ. Das bedeutet, dass sich die importierte Menge relativ gleich im Negativen ändert wie die Zolltarifänderung. Der Preis und seine mögliche Anpassung spielen keine Rolle. 

Für die Schweiz ist ein Satz von 32% vorgesehen. Just for kicks, nehmen wir an, der Tarif sei vorher 12% gewesen, dann resultiert eine relative Änderung von 20/12167% Das ist ein dummes Beispiel, denn es führt zur Umkehrung der Warenflüsse. Das ist zwar gewollt, aber in der realen Welt kaum machbar. Aber wir wollen uns hier nicht weiter aufhalten, denn zum einen riskiert man als woker Mondsüchtiger zu gelten zum anderen soll man Probleme doch einfach ignorieren, einen Deal mit sich selber machen. Wir setzen optimistisch einfach das Produkt zu 1 oder 1, je nachdem wie es am besten passt.

Damit wird die Formel einfach zu Δτi=ximimi.Mit ein wenig algebraischer Spielerei erreicht man folgende Einsicht: 

mi=xi+Δτimi, d.h. der Exportwert soll mit den zusätzlichen Zöllen auf dem Import gleich dem Importwert werden, oder als

mixi=Δτimi das Handelsbilanzdefizit mixi soll den Zolleinnahmen entsprechen.

Wir schauen uns mal die Daten an. Für das laufende Jahr 2025, d.h. Januar un Februar, gibt die offizielle Statistik der USA (https://www.census.gov/foreign-trade/statistics/highlights/topyr.html) folgende Werte aus, aus der dann die theoretischen Zollsätze wie in der letzten Spalte gezeigt ergeben:


RankingCountryExport- ImportImportsΔτ
1Netherlands8.45.7-147%
2United Kingdom3.411.5-30%
3United Arab Emirates3.3--
4Hong Kong2.22.5-88%
5Belgium1.43.6-39%
1Mexico-28.683.334%
2Canada-17.673.324%
3China-52.973.372%
4Switzerland-39.943.891%
5Germany-14.226.354%


Wie gesagt, die Schweiz kommt mit einem Satz von 32% davon. Das ist ja nur ein gutes Drittel des Formeloutputs! Für das ganze 2024 ergibt sich (24962-63425)/63425=-60% und mit dem Trump'schen Wohltäterfaktor von 0.5 folgen dann ca. 30%. Die Schweiz hat wieder einmal einen Riesendussel. Der Pechvogel heisst Niederlande, denn dank der EU-Mitgliedschaft dürfen sie mit 20% rechnen anstatt rd 150% oder 8,4 Mrd. USD zurückerstattet zu kriegen (wer's glaubt wird selig). Es gibt aber noch eine andere Präsidialverodnung, wonach der Minimumtarif 10% für alle ist. Diese Massgabe zieht für Grossbritannien.

Natürlich führt eine ausgeglichene Bilanz mit jedem Land i zu einer gesamthaften ausgeglichenen Handelsbilanz. Aber beide Forderung, also je Land und gesamthaft, sind fragwürdig. Man könnte vermuten, dass alle komparativen Vorteile wegtarifiert werden und man am besten zur Autarkie zurückkehrt, soweit sie je bestanden hat. Man sollte Ricardo fragen. Dennoch scheint ein Ausgleich z.B. mit Costa Rica, das fast alle Bananen nach USA schickt, fragwürdig. 

Weiters kommt einem in den Sinn, dass da doch noch andere Teilbilanzen umherschwirren, die mit der Handelsbilanz zusammen zum Ausgleich kommen. Wo sind die Dienstleistungen, man denke etwa an die Techgiganten wie Meta und Google? Und die Kapitalflüsse, die Devisenwerte?

Die ganze Übung fusst auf wackligen Füssen. Zum einen glaubt Trump, die Mehrwertsteuer sei auch eine Zollbelastung, obwohl auch die Inländer für heimische Produkte zahlen müssen. Zum anderen ist ein Handelsbilanzüberschuss kein Gewinn im betriebswirtschaftlichen Sinn. Man kann mit Zöllen nicht das eigene Haushaltsdefizit sanieren. Wenn die Ausländer aufhören, die amerikanischen Anleihen zu kaufen (ein Viertel der Staatsschuld liegt bei ausländischen Investoren), dann kommt es zu katastrophalen Verwerfungen ("Helm auf!"). Klar ist, dass die Globalisierung rückgängig gemacht wird.

Wir leben in interessanten Zeiten nach dem Motto "Fair is foul and foul is fair" (recht ist schlecht, und schlecht ist recht ). Das war die kulturhistorische Note, gute Nacht! Das mit der Formel war ja ein hübscher Versuch.

*) Voll-ausgebuffte Lebnizer schreiben gerne dlog(q)=dlog(τ), was die Sache viel besser verwirrt.

Referenz

Office of the United States Trade Representative, Executive Office of  the President, "Reciprocal Tariff Calculations", https://ustr.gov/issue-areas/reciprocal-tariff-calculations