Samstag, 12. Juli 2025

Individualbesteuerung und Intra-family-Transactions

 





Der Nationalrat hat Mitte Juni 2025 den Gesetztesentwurf zur Umstellung der Einkommens- und Vermögenssteuer zur Individualsteuer verabschiedet. Angebliches Ziel dieser Massnahme war die Vermeidung der Familienstrafe und/oder die standesneutrale Gestaltung dieser Steuer. Es gäbe eine übermässige steuerliche Privilegierung von Konkubinatspaaren mit Kindern. Der Psychologe Jerome Bruner hat einmal gemeint, Gesetze kommen nur zustande, weil niemand der Beteiligten die Implikationen vollständig überschaut. Gesetze sind Zufallsprozesse.

Ich habe mich noch gar nicht mit dieser Massnahme befasst bis auf die Lektüre von Zeitungskommentaren. Was aber einfach einsichtig wird, ist dass man nun pro Familie zwei Steuererklärungen abgeben und dass man Einkommen, Vermögen, Schulden und Abzüge zuordnen muss. Der Aufwand wird sich also mehr als verdoppeln.

Die Ideologen sehen in der Einführung der vom Zivilstand unabhängigen Besteuerung ein Gut an sich, das zur Gleichstellung beiträgt. Gleichstellung von Mann und Frau oder verheiratet und nicht-verheiratet oder ganz prinzipiell-generell? Ideologen irren ja meist bei den Voraussetzungen ihrer Weltsicht und leiten dann daraus phantasmagorische Albträume ab. In einer Ehe ist es durchaus nicht verboten, dass die Ehefrau die Steuererklärung ausfüllt und somit den Überblick erhält. Hier gilt schon Gleichstellung, die man mit Zwang einfach durchsetzen könnte. Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass die Erklärung nur Korinthenkacker erfreut; für normale Zeitgenossen ist es der ultimative Zusammenstoss mit der Staatsgewalt.


Der Geist des Mammons

Der Soziologe Max Weber beschrieb, wie der Protestantismus die persönliche Beziehung jedes Einzelnen zu Gott betont im Gegensatz zur kollektiver Frömmigkeit des Katholizismus. Er argumentierte, dass der Calvinismus mit seiner Prädestinationslehre zu einer verstärkten Selbstprüfung und einem Streben nach Beweisen der eigenen Erwählung führte, was die Individualisierung der religiösen Erfahrung förderte. 

Die protestantische Ethik sah die Arbeit nicht nur als Mittel zum Lebensunterhalt, sondern als Ausdruck einer religiösen Berufung. Diese Betonung der beruflichen Leistung als Zeichen der göttlichen Gnade und als Mittel zur Bewältigung der eigenen Unsicherheit im Hinblick auf die Erlösung trug nach Weber zur Entstehung eines kapitalistischen Geistes bei. Unser Auguste Forel, auf der alten 1000er-Note abgebildet, äusserte schon: "le travail rend libre!", um nicht die gefährliche deutsche Version zu bemühen.

Dieser Geist von "wer nicht arbeitet soll nicht essen" ist in unserem Steuer- und Sozialsystem tief verankert, von Politikern eingewoben. Bis 1891 regierte die protestantische liberal-radikale Fraktion den Bundesrat alleine. Von den 115 Bundesrätinnen und Räten waren bis 2015 67 Prozent reformiert und rund 30 Prozent katholisch. (Noch Ende 1980er Jahre wurde der erste katholische Generalstabschef verhindert, Sonderbundskrieg!) 

Nur als Beispiel, die Kinderzulage wird am dem 16. Altersjahr der Kinder zu Ausbildungszulage, d.h. behinderte Kinder sind plötzlich nicht mehr unterstützungwürdig aber arbeitende Kinder umso mehr. Zudem sind steuerliche Kinderabzüge höher, wenn diese in Ausbildung. Calvinismus 2, Caritas 0. 

Die Individualbesteuerung mit dem erklärten Ziel der Förderung der Erwerbstätigkeit ist ein Desiderat protestantischer Kultur, die ja auch ohne Religiosität waltet. Mehr Erwerbsarbeit der Frauen, mehr kostengünstige Fremdbetreuung der Kinder. Das ist zeitgemäss (hypostasieren die Avantgardisten). Damit werden auch mehr Frauen das Gefühl des Erwähltseins erfahren.


Familia und Domus

Seit der Antike besteht das Konzept von familia. Ein kursiver Blick in eine Wörterbuch (wer kann noch den Stowasser aus dem gutbürgerlichen Regal zücken?) zeigt, dass der Begriff damals nicht die sogenannte Kernfamilie bezeichnete sondern den Hausstand aus leiblichen Angehörigen und der Dienerschaft, allen, die unter demselben Dach wohnten. Familia bezeichnete aber auch das Vermögen, den Besitz und folglich auch den Nachlass (famila herciscunda). Die Familie, später im Mittelalter dann domus geheissen, ist eine Wirtschaftseinheit mit Arbeitsteilung und hierarchischer Führung. Heute wird meist ein kooperativer Führungsstil bevorzugt. Verliess eine Tochter die Familie, war aufgrund des witschaftlichen Schadens ein Brautpreis fällig, wobei die Braut eine Mitgift bekam als vorgezogene Erbschaft. Da damals der Staat noch wenig invasiv war, es gab kein Strafrecht, wurde alles zivil und wirtschaftlich verhandelt. Wurde ein Familienmitglied getötet, so musste der Familie des Täters diese Familie entschädigen, d.h. den wirtschaftliche Schaden beheben. Heute erhält man evtl. eine Morgengabe vom Staat oder eine Entschädigung, falls eine privatwirtschaftliche Versicherung vorhanden ist.

Im Jetzt wird gerne so getan, als wäre die Familie ein altertümliches, patriarchalisches Vehikel, das der individuellen Entfaltung entgegensteht. In Analogie ist auch eine Unternehmung so organisiert. Ihr wirft man ja auch das Patriarchat vor. Die Familie entsteht formell durch amtlichen Vertrag und evtl. als Sakrament, zumindest für die Katatonischen. Das eröffnet einen weiteren Aspekt.

Ronald Coase hat sich vor hundert Jahren schon Überlegungen gemacht zur Frage, wieso es Unternehmungen gibt anstatt einen Haufen individueller Verträge. Es dreht sich um Effizienz und Transparenz etc. Die einen bevorzugen einen Generalunternehmer, andere wollen lieber mit dreissig Parteien, vom Fugendichter (Achtung Wortspiel!) bis zum Maurer, alles individuell aushandeln. Dabei profitieren Mittelsleute wie Architekten und somit in der Übertragung zur Steuererklärung dann halt Treuhänder.

Claudia Goldin hat den Gender Pay Gap lebenslang studiert. Sie schreibt, dass Zeit das zentrale und knappe Gut von Eltern sei. Daher sei es ökonomisch oft sinnvoll, sich in der Beziehung zu spezialisieren – ein Partner auf die Karriere, einer auf die Familie. Man beachte: ökonomisch, nicht gesellschaftspolitisch, individual-psychologisch o.ä. Auch hier erkennt man das Muster der Partnerschaft als Unternehmung. Wichtig sind die Abmachungen und Anerkennung von Leistung innerhalb des Paares.

Laut Gesetz verpflichten sich die Ehegatten gegenseitig, das Wohl der Gemeinschaft in einträchtigem Zusammenwirken zu wahren und für die Kinder gemeinsam zu sorgen. Das kann man auch als Aufforderung zur Steueroptimierung lesen.

Die Familie ohne Kinder, d.h. nach der Emanzipation der Kinder oder kinderlose Ehe, erfährt eine Berücksichtigung durch Hinfall von Abzügen, ist aber problematisch. Ein Kanton kennt die sogenannten Konsumeinheiten (Anzahl zusammen besteuerte Familienmitglieder) als Faktor (ein seltener Lichtblick).

Die Klassiker wollten die Steuer immer als Bedarfsdeckungswirtschaft verstehen. In letzter Zeit wurde Steuer immer mehr als Steuerung der Gesellschaft verstanden. Steuern sollen nicht primär den Bedarf der Gemeinschaft decken sondern das Publikum zu gewissen Verhaltensweisen, zu gewissen Werten und Haltungen bewegen, auch wenn sich durch solches Verhalten die Steuer von alleine abschafft und die Steuerumgehung gewollt ist. Nur findet eben diese Diskussion nicht statt ("die traditionelle Familie ist nicht mehr zeitgemäss", aha, siehe AHV).

Die Kosten

Laut amtlichen Statistiken leben rund 40% der Bevölkerung in einer Ehe.  Bei einer Bevölkerung von 9 Mio. sind also 3.6 Mio. Steuererklärungen mehr zu bearbeiten. Gemäss Offiziellen sind es aber nur 1.7 Mio. mehr. Wenn noch eine ausserkantonale Ferienwohnung besteht, dann noch eine mehr. Für diese Paare von Erklärungen braucht es eine Abstimmung, denn sonst merkt man nicht, dass die Kinderabzüge zweimal in Ansatz gebracht wurden, gewisses Vermögenswerte verschwunden sind etc. Das heisst, dieselbe Steuerkommissärin arbeitet am besten parallel. Es ist klar, ob ein Einsichtsrecht des Partners gesetzlich vorgesehen ist, aber eigentlich sollte eine Pflicht bestehen, ansonsten man leicht Tatbestände vergessen kann. Sollte man solidarisch für Steuern haften, dann kann man wieder gänzlich auf die Individualbesteuerung verzichten. Ausser die Übung dient einer Neuinterpretation der steuerlichen Lebensverhältnisse.

In der Botschaft zu den Vorlagen ist der "tiefer Aufwand für die kantonale Steuerverwaltung" nur das neunte und letzte Ziel. Vorangehenden, auf Position 8 steht "tiefer Aufwand für die Steuerpflichtigen". Da die Schweizer notorisch Ironie nicht verstehen, ist dieses Ziel nur eine freche Dummheit. Ziel zwei, nach der Beseitigung der "Heiratsstrafe" für Ehepaare mit ähnlich hohem Einkommen, lautet: Förderung der Zielsetzung der Fachkräfteinitiative. An die Säcke, Arbeitsvieh! Die genannte Initiative bezweckt:
  • Höherqualifizierung entsprechend dem Bedarf der Wirtschaft;
  • Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie;
  • Schaffung guter Bedingungen für ältere Arbeitnehmende zur Förderung der Erwerbstätigkeit bis ins Pensionsalter und darüber hinaus;
  • Förderung von Innovationen zur Entschärfung der Fachkräfteknappheit aufgrund höherer Produktivität
Ich fühle mich nicht intelligent genug, um diesen Zusammenhang mit der Individualbesteuerung zu sehen. Möglicherweise ist es aber auch eine geschwurbelte Nebelgranate. Hier kann man die dümmliche Allerweltsbegründung: "es hat sich bewährt", im Gegensatz zum Eigenmietwert, ja nicht in Ansatz bringen.

Neben dem Zusatzaufwand einer weiteren Steuererklärung kommt das Problem der Einkommens- und Vermögenszuweisung zwischen den Gatten hinzu. (Kann eigentlich dann jeder seinen Steuersitz individuell festlegen? Dann wird es kompliziert mit der Abstimmung, aber einfacher mit den Repartitionswerten.)


Die Progression

Lange hat man nach der universellen und einzigen Steuerquelle gesucht. Anfangs letztem Jahrhundert hat man sich stark auf die Einkommenssteuer als direkter Steuer verständigt. Im Laufe der Zeit hat die indirekte Steuer, vornehmlich die Mehrwertsteuer, zugenommen, weil sie psychologisch einfacher beim Steuervieh durchzudrücken ist. Die direkte Steuer ist progressiv ausgestaltet, d.h. die Zunahme der zu entrichtenden Steuer ist überproportional. Philosophisch hängt das mit der Grenznutzentheorie zusammen, wonach jeder zusätzlich erworbene Geldeinheit an Nutzen verliert. Die zweiten hunderttausend Franken sind weniger nützlich als die ersten, das zweite Schoko-Eis ist schlechter als das erste. Im 19. Jahrhundert wurde das soziale Problem so schlagend, dass ein Ausgleich zwischen den Schichten unausweichlich wurde. Anstatt der Vorstellung der Marxisten nach Übergabe der Produktionsmittel an die Proletarier, nutzten die Liberalen den Transfer durch progressive Steuern zur Erhaltung des Unternehmertums (John Stuart Mill). Ein häufig unterstelltes Prinzip der Besteuerung ist die sogenannte Leistungfähigkeit (engl. fairness), welche die Progression ebenfalls stützt.

Die Progression hat zwei Ausgestaltungen: Zum einen den mit dem Einkommen oder Vermögen (Bemessungsgrundlage) zunehmenden Steuersatz und zum anderen die Freibeträge. Letztere werden meist nicht erkannt. Der Freibetrag ist ein Fixbetrag, der mit steigender Bemessungsgrundlage immer relativ kleiner wird. So gesehen ist der Doppelverdienerabzug ein Monstum erster Güte, der dem Steuersatz übergestülpt wird. Allerdings ist "Doppelverdiener" nur, wer ein positives Erwerbseinkommen erzielt, z.B. netto von PK-Einkäufen (also nie mehr als Nettoeinkommen vor PK einzahlen). Die Steuerbehörden haben ja ihr eigenes Vokabular entwickelt. Es gibt auch variable Freibeträge, etwa Krankenkosten, wenn sie einen gewissen Prozentsatz des Netto-Einkommens übersteigen (im Gegensatz zu Behinderungskosten). Die Freibeträge sind die Spielwiese der Politiker, zur Modellierung der Lebensverhältnisse, die Fantasien der Ideologen, das absolute Chaos.

Mit der Progression kann man bei gemeinsamer Veranlagung elegant umgehen, indem man zweimal die Steuer der Hälfte verlangt (oder den Satz $t(B/k)\times B$ wobei $k\in \{2, 1.81, 1.6,...\}$ sein kann). Dieses als Splitting bezeichnete Rechnung ist einfach und effizient und nach unserer Meinung sachgerecht. Man kann auch daraus den Verheiratetensatz aus einem Tarif bestimmen. Splitting heisst, dass Verheiratete und Nichtverheiratete unterschiedliche Steuersätze haben.

Ohne Progression, wie bei der Mehrwertsteuer, müsste man sich keine Gedanken machen.

Errungenschaft und Zuweisung oder innerfamiliäre Transaktionen

Das wirtschaftliche Standardmodell der Ehe ist die Errungenschaftsgemeinschaft. Das Gesetz unterteilt hier das eheliche Vermögen in die (i) Errungenschaft und das (ii) Eigengut jedes Ehegatten. Errungenschaft sind die Vermögenswerte, die ein Ehegatte während der Dauer des Güterstandes entgeltlich erwirbt. Dazu gehören insbesondere der Arbeitserwerb, Sozialversicherungsleistungen auch Pensionskassenbezüge und die Erträge des Eigengutes. Darunter fallen Gegenstände, die einem Ehegatten ausschliesslich zum persönlichen Gebrauch dienen, und Werte, die ihm schon zu Beginn des Güterstandes gehört haben oder ihm später durch Erbgang oder sonstwie unentgeltlich zukommen. Mittels Ehevertrages können bestimmte Vermögenswerte zu Eigengut erklärt werden. Wer behauptet, ein Vermögenswert gehöre ihm allein, muss dies beweisen, denn sonst wird Miteigentum beider Ehegatten angenommen. Erst bei Auflösung der Gemeinschaft (durch Tod, Scheidung etc.) werden die individuellen Anteile bestimmt, vorher gibt es bis jetzt keine Notwendigkeit.


Laut Gesetz haftet jeder Ehegatte grundsätzlich nur für seine eigenen Schulden, und zwar gleichgültig aus welchem Rechtsgrund sie entstanden sind. Wäre dem nicht so, würden sich Schulden zwischen Ehegatten erledigen. Der Güterstand hat zudem keinen Einfluss auf die Fälligkeit von Schulden zwischen Ehegatten. Darlehen sind aber nicht gerechtfertigt, wenn das Geld für den Unterhalt der Familie benötigt und verbraucht wird.

Mit der Individualbesteuerung haben wir bei der Errungenschaft buchhalterisch gesprochen drei GuV-Rechnungen (bei der gemeinsamen Veranlagung nur eine). Aus 3 müssen wir 2 machen. Man könnte einfach die Vorkehrungen der Liquidation, wie bei der Scheidung, treffen, zumindest für das Vermögen (ohne PK-Vermögen). Wobei, das Vermögen der Kinder macht dann was? Ist es steuerfrei, denn noch kein Steuersubjekt? Oder ist individual doch mit Seitenwagen? In dieser Rechnung sind die Schulden zwischen den Gatten zu berücksichtigen. Diese können, sofern nicht völlig sittenwidrig, durch Darlehensvertrag modelliert werden. Dies interessiert vor allem die Zinsen, denn diese wirken auf das Einkommen. Aber die Steuerverwaltung definiert "anerkannten Zinssätze für Darlehen zwischen nahestehenden Personen", die bei rund 1% liegen.  Die Verwaltung sieht nur Wohnbau, Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe vor. Wenn sich ein Gatte beim anderen verschuldet, um Wertpapiere zu kaufen, scheint einem 1% Zins nicht risikogerecht zu sein. Um 50k zu verschieben, benötigt man eine Schuld von 5 Mio.


Kann man das Vermögen der Ehegatten, bis auf wenige benannte Tatbestände, beliebig aufteilen? Ist die folgende Aufteilung zulässig? Gemeinsames Wohneigentum ist zu halbieren, Hypothek darauf ebenfalls. Ebenso Guthaben auf Gemeinschaftskonti. Aber sonstige Bankkonti "gehören" dem Kontoinhaber? Also vor dem Stichtag die Konti ein wenig bewegen? Keine gemeinsamen Konti!  Kann man die Wertschriften im gemeinsamen Depot individuell zuordnen (die Guten in Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen)? Das Wertschriftenverzeichnis ist der grösste Murks überhaupt (am besten thesaurierende ETFs kaufen). Tatsache ist, dass das Minimum der Steuern bei gleichem steuerbarem Vermögen liegt. Mit einer Transaktion als "Schenkung" (mit Ausschluss aus Eigengut), oder besser Darlehen, lässt sich das erreichen oder kommt die Steuerbehörde und will den genauen wirtschaftlichen Grund für das Darlehen wissen und beurteilen?  Wenn die Steuerbehörden nicht wieder eine schweinische Praxis einführen (im Kt. Zürich gibt es 30 Seiten Kommentar zu jeder Seite Gesetz, insgesamt 2772 Seiten).

Gatte1Gatte 2
Eigengut700Eigengut100
Errungenschaft ohne PK500Errungenschaft ohne PK500
verfügbares Vermögen1200verfügbares Vermögen600
PK-Guthaben600PK-Guthaben300
Darlehen/Schenkung-300Darlehen/Schenkung300
Steuerbares Vermögen900Steuerbares Vermögen900


Ich könnte meinem Freund ein Darlehen gewähren, so dass er meinem anderen Gatten wiederum ein Darlehen gibt oder ich benutze einen GmbH-Mantel. Dann machen wir noch ein Netting-Agreement. 

Beim Einkommen ist die Verschieberei eben nicht so einfach, muss es doch vor Steuern stattfinden. Mittels Zinsen nicht effektiv, bei Eigenmietwert und Hypozins gemäss Besitzverhältnisse (also meist hälftig), bei den Kinderabzügen gekammert (jeder hat gleichen unübertragbaren Abzug, als wären die Kinderkosten organisch und nicht nach der Leistungsfähigkeit). Bei den Unterhaltskosten anscheinend nach Zahler, bei Wertschriftenerträgen (Zinsen, Dividenden) wählbar, bei Krankenkassenprämien wohl wählbar, damit einer evtl. den Moloch Verbilligungstombola beantragen kann. Bei sehr unterschiedlichen Einkommen, beim Geringverdiener können Abzüge ins Leere laufen. Es bleibt fast nur der PK-Einkauf vom Grossverdiener oder Übertragung der gemeinsamen Immobilie (mit Schuldvertrag).

Machen wir ein Beispiel. In einem Jahr bekommt Gatte 1 eine Abfindung von 200k, die er in die PK von Gatte 2 steckt.  Die Abfindung ist Errungenschaft, gehört also hälftig beiden Gatten. Sie verdient netto 150k. In die PK gehen 149.9k (wegen Doppelverdienerabzug, der aber wegfallen müsste, also doch 200k?).  Er muss die 200k als Einkommen versteuern, sie spart. Besser er steckt das Geld in seine PK (selber essen macht  feist), sofern eine solche noch besteht. Schwacher Lichtblick: Bei Kapitalbezügen gibt es auch keine Kumulierung über die Gatten hinweg.

Fazit

Wenn man schon individuell verlangt, von indivisibilis "untrennbar" dann aber richtig. Wie dies mit dem Eherecht und der Errungenschaft sowie mit dem Erbrecht und dynamischen Eheverträgen (öffentlich Beurkunden) vereinbar ist, bleibt mir noch unklar. Die individuelle Vermögenslage ist nur "steuerlich", scheinbar, pro forma aber sonst wirkungslos? Die Schweizer Steuergesetze sind mit Bezug auf andere Gesetze unsystematisch, kümmern sich nicht um Auswirkungen in andere Bereiche.

Die Verschiebung von Vermögen mittels Darlehen scheint nicht allzu kompliziert zu sein, aber ist auch von beschränktem Potenzial. Die Musik spielt beim Einkommen. Zinsen für virtuelle Darlehen funktionieren nicht sehr effektiv.

Die Zeiten, in denen die Kinder klein sind sowie die Zeit, in der einer der Gatten schon pensioniert ist, also rund 10 bis 20 Jahre sind geprägt von zwei eher unterschiedlichen Einkommen und somit einer langen Benachteiligung.

Dass Verheiratete bei der AHV nur 150% anstatt 200% bekommen, ist angesichts dieser Steuervorlage der grösste Witz.

Die Individualbesteuerung ohne Splitting, wie sie vorgesehen ist, ist ein absoluter Stumpfsinn. Anstatt den Ausgleich zwischen Verheirateten und Unverheirateten zu schaffen, ist eine Bevorzugung der Gleichverdiener-Ehepaaren zu den Ungleichverdiener-Ehepaaren entstanden. Bravo!