Donnerstag, 21. April 2016

Banking und Künstliche Intelligenz

Die Künstliche Intelligenz KI, auf englisch „artificial intelligence“ AI, beschäftigt die Wissenschaft und Technik schon seit langem. Grundlegende Ideen kamen in der Mitte des 20. Jahrhunderts von sehr verschiedenen Disziplinen zusammen. Darunter fallen gemäß Buchanan (2005) etwa Ingenieurwesen und Kybernetik, Biologie (neuronale Netze), Psychologie, Kommunikations-Wissenschaften, Mathematik (Spiel- und Entscheidungs-theorie) und Statistik, Logik und Philosophie sowie Linguistik. Die Möglichkeit, Rechenmaschinen zu programmieren, ermöglichte dann das Experimentieren mit dem, was man künstliche Intelligenz bezeichnet. Der Test von Alan Turing basiert genau darauf, dass ein Mensch elektronisch zwei Partner, wovon einer menschlich und der andere künstlich ist, befragt und anhand der Antworten klar die zwei richtig klassifizieren kann.

Das dafür häufig verwendete CAPTCHA-Verfahren leitet seinen Namen vom Turing-Test ab (Completely Automated Public Turing test to tell Computers and Humans Apart).


Robo-Advisors


Robo-Advisors sind elektronische Plattformen, die automatisch mittels ausgeklügelter Algorithmen Vermögen verwalten. Sie beginnen die Vermögensberater für Privatkunden und Retail-Brokers zu ersetzen, denn das Zielpublikum sind Investoren mit Vermögen unter 250,000 USD oder äquivalent. Unter den Kunden sind vor allem die Millenials, die Generation („Generation Playstation“), die sehr eng mit den digitalen Medien aufgewachsen ist und sich deshalb nicht scheut, sich einem anonymen Kundenportal anzuvertrauen. Diese Generation stellt vermögensweise ein Wachstumsmarkt dar. Die Anlagen erfolgen kostengünstig mittels ETFs (exchange traded funds).

Neben den Millenials sind es aber auch gewisse institutionelle Kunden, die auf der Suche nach Alternativen bereit sind, radikal andere Methoden auszuprobieren. Für diese Großanleger sind ein paar hundert Millionen schnell verfügbar. Damit werden die Robo-Advisors nicht nur für kleine Privatkunden sondern auch für Institutionell interessant, falls sie sich bewähren.

Von den Investmentbanken hat die Bank of America aufgrund der traditionellen
Ausrichtung von der einverleibten Merrill Lynch immer schon einen speziellen Fokus
auf die Retailkunden des Brokerage gehabt. Diese Broker wurden wegen der großen Anzahl als „thundering herd“, donnernde Herde, bezeichnet. Sie beherbergt rund 15,000 finanzielle Komplettberater, die typischerweise Kunden mit mehr als 250,000 USD beraten und verwalten. Im Durchschnitt erwirtschaftet ein solcher Berater über eine Million USD, denn sie sind recht profitabel. Verwaltete Vermögen sind riesig, hier über 2000 Mrd. USD. Im Jahr 2010 startete „Merrill Edge“, ein Discount-Broker mit kleinerem Vermögen als Zielgröße. Zwei Millionen Kunden besitzen rund 120 Mrd. USD zur Verwaltung. 

Persönliche Anlageberatung ist meist mit aktivem Vermögensmanagement gekoppelt
und der Vorstellung, dass hochprofessionelle Spezialisten eine deutliche Überrendite im Verhältnis zu einem passiven Indexprodukt erzielen können. Leider ist die empirische Wahrheit oft eine andere. Gemäß dem jährlich durchgeführten Renditevergleich von aktiv verwalteten Fonds und Standard & Poor’s Indizes (Ung et al., 2015) werden die passiven Indexfonds für europäische Aktien in Euro nur in 17% im Jahr 2014, respektive nur in 18% der Fälle über fünf Jahre geschlagen. Für US-amerikanische Aktien ist es noch schlechter. Dass die aktiven Manager in besonders wenig effizienten Märkten, also in Schwellenländern, besser glänzen, stimmt leider auch nicht. Aktive Manager unterliegen den typisch menschlichen „Bias“ und verfolgen zum Teil auch eigene oder Firmeninteressen. 

Die Robo-Beratung stelle eine Herausforderung für die nicht nur von den Investmentbanken
betriebene Vermögensverwaltung dar, und zwar für alle verschiedenen Größen von Vermögensportfolien. Damit verbunden ergibt sich die Chance, Konkurrenzvorteile, Kundensubstitutionen und Anbieter-Defragmentierung zu erzielen.
Das wird aber sicherlich eine harter Wettbewerb werden. Mit den jüngeren Generationen
besteht ein umfangreiches Kundenpotential. 

Die Royal Bank of Scotland streicht im März 2016 550 Kundenberaterstellen um
Kosten zu sparen. Die Kosten sind zusätzlich durch regulatorische Aufwendungen
gemehrt, denn das sogenannte Retail Distribution Review von 2013 ist nicht nur
eine Bürde sondern auch ein Risiko hinsichtlich Fehlberatung. Kunden mit weniger
als 250,000 GBP werden nicht mehr persönlich beraten sondern bekommen Zugang
zu den digitalen „Robo Advisers“.


Robotisches Schreiben


Die Researchabteilungen der Investmentbanken produzieren haufenweise Analysen
und zugehörige Updates zu den Forbes 500, S&P 500 und anderen Firmen darüber
hinaus. Die Arbeit ist so spezialisiert, dass es Analysten gibt, die sich nur mit Mineralwasser
befassen. Walls-Street-Firmen produzieren eine Flut von Research, in der
Größenordnung von 30,000 Berichten pro Jahr für einen großen Broker. Die Banken
sind froh um Methoden, die Kosten senken und die Effizienz steigern können. Hier betritt das robotische Schreiben* die Bühne.




Narrative Science, startete 2010 mit automatischen Neuigkeiten und erweiterte 2013 das Angebot mit Produkten für die Finanzbranche. Andere Anbieter sind Yseop, Capital Cube und die von Goldman Sachs finanzierte Kensho Technologies. Die Credit Suisse beispielsweise benutzt die Plattform „Quill“ von Narrative Science, um Zusammenfassunge der rund 5,000 abgedeckten Firmen für ihre Berichte-Datenbank HOLT zu erstellen. Damit erhalten die Analysten mehr Zeit, um ihre Kunden zu treffen. Die Nachrichtenagentur Associate Press verwendet ebenfalls robotische Schreibprogrammen, um die Quartalsberichte der Unternehmen sehr schnell zusammenfassen zu können.

Wer vermutet, dass Texte mit vielen Zahlen ideale Inputs für solche Programme sind, hat recht; aber es gibt auch Programme, die Kurzgeschichten verfassen. Gewisse Anbieter wie Kensho sind noch viel ambitiöser. Ähnlich wie bei Google, beantwortet Kensho Fragen, die in einfachem Englisch gestellt werden, aber nicht faktische Wissen betreffen sondern künftige Ereignisse: Welchen Einfluss hat Scharmützel zwischen Amerikanern und Chinesen in der Chinesischen See auf die Aktien der Waffenproduzenten, den Ölpreis und den Wechselkurs? Das Programm kann anscheinend 65 Millionen Fragen zu 90,000 Ereignissen, unter anderen Naturkatastrophen, politische Vorkommnisse, neue Unternehmenszahlen, Produkteinführungen oder Medikamenten-Zulassungen untersuchen. Die Erstellung läuft in Sekunden ab und erzeugt neben Text auch noch Grafiken. Goldman Sachs lancierte 2014 das System firmenweit. Auch JPMorgan Chase und Bank of America Merrill Lynch haben es eingeführt.

An diesen Beispiel kann man erahnen, dass auch das vor technischen Angriffen
geschützt geglaubte „Tacit Knowledge“ verwundbar ist. Wenn Automaten sowohl
die Analyse als auch das Anlegen von alleine betreiben, wozu braucht es noch den
Menschen, resp. wie kommt der Mensch überhaupt zu Geld, das man dann anlegen
kann? Das wäre eine gute Frage für Kensho.

*) Wir verwenden diesen Begriff, weil „automatisches Schreiben“ sich auf Mitteilungen aus dem Jenseits beziehen, die von Medien in Trance geschrieben werden.


Literaturverzeichnis

Buchanan, B. G. (2005). A (very) brief history of artificial intelligence. Ai Magazine, 26(4), 53.

Ung, D., Fernandes, R., und Hahn, B. (2015). S&P Indices Versus Active Funds (SPIVA)
Europe Scorecard. Research, S&P Dow Jones Indices, McGraw Hill Financial, New York

Yang, S. (2015). Can You Tell the Difference Between a Robot and a Stock Analyst?
Wall Street tries out research reports written by artificial intelligence. The Wall 
Street Journal, (9.7.2015).



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