Nicht nur in der Pandemie sondern ganz allgemein ist der Schreibende ein grosser Leser. Das führt ab un an zu Konflikten mit meinen mitbewohnenden Familienmitgliedern. Mein Arbeitgeber hat mir vor ein paar Tagen meine Bücher aus dem Bureau nach Hause liefern lassen. Siebzehn Kisten.
Gemäss einer Umfrage der lokalen Tageszeitung würden 44.5% im Bett lesen, auf dem Sofa 29.2, im Sessel 15%, in öffentlichen Verkehrsmittel 5.7, am Schreibtisch 5.5, in Badewanne 1 und im Café 1 v.H. Ich bevorzuge auch das Sofa, wobei Sessel für mich kein qualitativer Unterschied darstellt. Von einem amerikanischen Komiker ist das Bonmot bekannt: "Männer, die Frauen lesen können wie offene Bücher, lesen am liebsten im Bett". Dies wird in dieser Befragung allerdings nicht erhärtet. Bei diesem Bonmot fragt sich in der heutigen Zeit der Korrektheit, ob man nicht Frau und Mann permutieren oder kombinieren muss und vielleicht die Grundmenge erweitern soll, um alle Konstellationen abzudecken, vielleicht mit den Worten permutatis permutandis?
Dem Sofaleser bieten sich die Armlehnen als mehr oder weniger temporäre Ablageflächen an. Da ich in der glücklichen Lage bin, vier Sofas in meiner bescheidenen Behausung zur Verfügung zu haben, ergibt dies acht Armlehnen. Diese nehme ich allerdings nicht alle in Beschlag.
Die Auswahl spiegelt meine momentanes Interesse um Steuern, Macht und Geschichte.
Erste Armlehne
- Ladurie, Emmanuel. Montaillou, village occitan de 1294 à 1324. Paris: Gallimard, 2008.
- Simmel, Georg. Philosophie des Geldes. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1989.
- Dürrenmatt, Peter. Schweizer Geschichte. Zürich: Schweizer Verlagshaus AG, 1963.
Il épargne à ses conquêtes l'ennui des avant-propos; il marche droit au but. Mais sans forcer rien ni personne. Le pouvoir en effet n'exclut nullement la douceur, parmi les paysan "brutaux", le prêtre, lui, sait être compréhensif avec les femmes.
Mein Interesse gilt vor allem der Gesellschaftsstruktur und den Abgaben (dîme, der Zehnt) für Kirche und Herrschaft etc.
Georg Simmel ist ein Soziologe der ersten Stunden, d.h. von der vorletzten Jahrhundertwende. Hier interessiert die Soziologie des Geldes, das mit der Evolution der Gesellschaft und des Geldwesens, interessante Aspekte hergibt. Eine kleine Kostprobe:
Das Geld hat jene sehr positive Eigenschaft, die man mit dem negativen Begriffe der Charakterlosigkeit bezeichnet.
Dem Menschen, den wir charakterlos nennen, ist es wesentlich, nicht durch die innere und inhaltliche Dignität von Personen, Dingen, Gedanken sich bestimmen zu lassen, sondern durch die quantitative Macht, mit der das Einzelne ihn beeindruckt, vergewaltigt zu werden.
Die Simmel-Ausgabe ist von der Deutschen Bank, meinem weit zurückliegenden Arbeitgeber, unterstützt worden. Die Bank galt damals als sehr elitär und gerade deshalb als sehr kulturbeflissen. Dieses Klima hab ich genossen. (An der Bereichsvorstandssitzung sage ich zur neuen Marketingkampagne "Wie entsteht das Geld?": Das ist wohl ein Oxymoron. Worauf mein Kollege antwortet: ich kenne viele Morons aber diesen nicht.)
Im Buch von Peter Dürrenmatt möchte ich vor allem verstehen, wie es der Eidgenossenschaft gelang den Landesherrn abzuschütteln, der ja die höchsten Steuern verlangte und nur noch unter dem Schirm des Kaisers zu bleiben. Die Eidgenossen profitierten häufig von der Tatsache, dass die Obervasallen Probleme mit der Kontinuität der Herrschaftsausübung erlitten. Einem tüchtigen Fürsten folgte ein bevormundetes Kind oder ein schwacher Herr.
Abbildung 1: Erste Lehne |
Zweite Armlehne
Hier liegen, aufgeschlagen oder mit Lesezeichen versehen die zwei Bücher:- Gonick, Larry. The cartoon history of the universe. New York: Doubleday, 1990.
- Schultz, Uwe. Mit dem Zehnten fing es an: Eine Kulturgeschichte der Steuer. Frankfurt am Main, Olten, Wien: Büchergilde Gutenberg, 1988.
Urukagina cut taxes and fired the collectors, restored temple property, and passed many laws protecting widows, orphans and the poor from the greedy and more powerful neighbors. The tax cuts, however, created a new problem: Now the government's broke!
Dritte Lehne
Das ist nun das rote Sofa, eigentlich für eher kurze Aufenthalte bestimmt, wie zum Beispiel der Person am Herd moralischen Beistand zu leisten oder auf der Durchschreitung des Hauses eine kleine Denkpause einzulegen. Aufgrund der Lage nahe dem Eingang der Wohnstatt gehen postalische Neueingänge auch gerne über das Sofa.Abbildung 3: Dritte Lehne |
- Morari, Sergio. Il battaglione Intra : una storia di alpini. Verbania: Alberti libraio, 2006.
- Gerloff, Wilhelm. Die öffentliche Finanzwirtschaft. Frankfurt am Main: V. Klostermann, 1942.
Il Battaglione Intra fu spesso considerato indisciplinato ma, a rileggere questi eventi, quell' indisciplina si tradusse in un senso di rispetto per la dignità dell essere umano. Non sempre la gloria si ottiene attraverso l'uso delle armi.
Die Tragödie war aber der chaotische Kriegsaustritt am 8. September 1943, dem Befehle im Stil des Orakels von Delphi folgten. Der Generalstabschef Ambrosio war mit dem Umzug daheim beschäftigt. Der Onkel vom Intra floh dann aus dem Stammlager Fichtenhain bei Krefeld, ein andere verstarb als IMI und Zwangsarbeiter in Düsseldorf-Gerresheim. Todesursache: "metapneumonisches Empyem und Leberabszess".
Das Buch von Gerloff ist ein Klassiker für Spezialisten für Finanzwissenschaft und Steuern im Speziellen. Die mir vorliegende 2. Ausgabe ist aus dem Jahr 1942 und enthält, wohl vom System gefordert, ein paar kuriose Aussagen. Steuern erscheinen im Wandel der Zeit endlich als politische Institution des totalen Staates (Gerloff, 1942, 227):
Dem ökonomischen Liberalismus ist die Steuer ein Tausch oder ein Preis für geleistete Dienste, und die Steuerpflicht findet ihren Grund und ihr Maß in den Vorteilen, die der einzelne im Staate und durch den Staat genießt. Der historisch-organischen Staatsauffassung ist die Steuer ein Opfer, das der Staat nach Massgabe seiner Zwecke und Bedürfnisse und ohne Rücksicht auf gewährte Vorteile beansprucht. Dem Nationalsozialismus aber ist die Steuer weder Preis noch Opfer, sondern: die Steuer ist Dienstleistung an der Gemeinschaft. Nicht das Recht des Individuums und die ihm zuteil werdenden Gerechtigkeit ist das Entscheidende, sondern die Erhaltung und Förderung von Volk und Nation und darüber hinaus die Verwirklichung einer neuen Gesellschafts- und Lebensordnung.
Fritz Neumark hat in einem Nachruf auf Gerloff geschrieben, dass er als charaktervolle Persönlichkeit schlecht ins Dritte Reich passte. "Dienstleistung an der Gemeinschaft" ist ein völliges Hirngespinst und Geschwurbel eines totalitären Staates. Aber auch Frau Thatcher war der Ansicht, es gebe die Gesellschaft nicht. Dieses Buch ist um seiner soziologischen und historischen Teile willen sehr anregend.
Die zwei kleinen Hefter der Beck'schen Reihe handeln von Mesopotamien und dem Untergang des römischen Reichs.
A Farewell to Arms
Abbildung 4: Disponenda |
(Damit ist auch Hemingway zu Ehren gekommen, der ebenfalls am Isonzo war.)
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